In der Sondersession debattierte der Nationalrat über das Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket (KAP). Dabei wurde auch über eine Kürzung von 38.5 Millionen Franken in der Entwicklungszusammenarbeit für 2016 diskutiert, die von der bürgerlichen Mehrheit leider auch angenommen wurde. Hier mein Votum im Rat dazu:
Wir alle haben die Bilder der überfüllten Flüchtlingslager in syrischen Nachbarländern und der Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer gesehen. Viel wurde darüber diskutiert, welche Massnahmen ergriffen werden können, um weitere Tote im Mittelmeer zu verhindern. Diese Diskussion ist wichtig, darf aber nicht an diesem Punkt enden. Migration hat Ursachen, die auch mit unserer Politik hier in Europa verbunden sind. Seien dies Grosskonzerne, die sich in den Ländern des Südens weder um Umweltstandards noch um Menschenrechte kümmern und nicht gestoppt werden. Seien dies Diktatoren, die ihre Bevölkerung unterdrücken und ihre Millionen bei Schweizer Banken verstecken. Oder seien dies jahrzehntelange Umweltverschmutzungen, die insbesondere in ärmeren Ländern Naturkatastrophen verursachen.
Es soll also auch die Frage gestellt werden, wie diese Menschen in ihrem Kampf um ein besseres Leben direkt vor Ort unterstützt werden können. Der Entwicklungszusammenarbeit kommt dabei eine zentrale Rolle zu, auch wenn Gegner/innen immer wieder das Gegenteil behaupten. Zu Recht hat das Parlament 2008 beschlossen, bis 2015 die APD-Quote (Aide public au développement-Quote) von 0.5 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erreichen. Dementsprechend hat das Parlament auch die Motion Vitali, die eine Fristerstreckung bis 2020 verlangte, deutlich abgelehnt.
Gerade angesichts der aktuellen internationalen Situation ist es daher verantwortungslos, eine Kehrtwende vorzunehmen und die geplanten Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit um jährlich 38.5 Millionen Franken zu kürzen. Eine Kürzung würde nicht nur multilaterale Organisationen wie das IKRK oder UN-Organisationen treffen, sondern auch Projekte in den Bereichen Wasser, Gesundheit und ländliche Infrastruktur verzögern oder schmälern. Geradezu zynisch ist es, weniger Mittel als vorgesehen für die Nothilfe und den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Die Entwicklungszusammenarbeit steht im südlichen Afrika vor grossen Herausforderungen, wie ich auch auf meiner Reise nach Tansania im vergangenen April erkennen konnte. Doch gerade im Gesundheitsbereich konnte dank internationalen und Schweizer Bemühungen viel erreicht werden. Diese positive Entwicklung mit einem unsinnigen Kürzungsantrag wieder infrage zu stellen, ist nicht erklärbar.
Auch ohne Kürzung wird die APD-Quote laut neuen Berechnungen des Bundesamtes für Statistik nur bei 0.47 Prozent liegen. Und das nur, weil in die Berechnungen auch die Ausgaben an Asylsuchende in der Schweiz im ersten Aufenthaltsjahr einfliessen. Diese machen gemäss Stellungnahme des Bundesrates zur Motion Vitali einen Viertel der APD-Quote aus. Während andere reiche Länder wie Norwegen, Luxemburg oder Schweden die Zielvorgabe der UNO von 0.7 Prozent bereits überschritten haben, können wir nicht ernsthaft in Betracht ziehen, unseren geplanten Beitrag wieder zu kürzen. Die Antwort, dass ein Teil der Kürzungen durch die Währungssituation abgefedert werden könne, ist dabei wenig zufriedenstellend.
Anstatt Kürzungen vorzunehmen, soll die Schweiz vielmehr ihre Bemühungen in der Entwicklungszusammenarbeit intensivieren, denn die weltweite Armut und grenzüberschreitende Risiken erfordern eine stärkere internationale Beteiligung.
Das Budget der Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen, wird nicht nur schwerwiegende Folgen für die betroffene Bevölkerung haben. Sie kommt auch einer Bankrotterklärung der internationalen Verpflichtung gleich. Die Schweiz droht nicht nur die positiven wirtschaftlichen Effekte der Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch ihren guten Ruf als verlässliche Partnerin zu schwächen. Ich bitte Sie im Namen der SP, meinem Antrag zu folgen und bei der Entwicklungshilfe nicht zu kürzen.
